Wer hat uns verraten? Die Christdemokraten.
Wer hat uns verraten? Die Christdemokraten - wie Friedrich Merz & Co. Deutschland ins Feuer führen.
Friedrich Merz gibt den Kanzler auf Probe, den Ersatzschaffner in einem Zug, der seit Monaten quer durchs politische Schotterbett holpert. Vorne wird gelächelt, hinten brennen Waggons, und jedes Mal, wenn wieder einer explodiert, heißt es aus dem Führerstand: „bedauerlicher Einzelfall“. Merz’ Autorität wirkt wie Klebeband auf einer geborstenen Kupplung – hält bis zur nächsten Erschütterung und reißt dann dort, wo die Partei längst Richtung rechter Seitenstrang abgebogen ist. Die berüchtigte „Brandmauer“? In der Theorie aus Beton, in der Praxis das flatternde Flatterband am Rand eines Bierzeltparkplatzes.
Jens Spahn, der Masken-Magnat aus dem Münsterland, verwandelte die Pandemie in ein Logistikmärchen, in dem ausgerechnet Fiege – eine Firma aus seiner Heimat – zum Hauptdarsteller wurde. Milliardenaufträge unter Zeitdruck, Ausschreibungen, die eher nach Nebensache klangen, Qualitätsprüfungen, die zu oft erst im Lager oder bei der Entsorgung stattfanden. Am Ende blieben Berge von Masken, die niemand mehr tragen wollte, und Haushaltslöcher, in die man problemlos einen Rettungshubschrauber parken könnte. Spahns Verteidigung klingt bis heute wie aus dem Cockpit nach dem Fehlgriff: Man habe eben schnell handeln müssen. Sicher. Nur: Geschwindigkeit ersetzt keine Sorgfalt – und schon gar nicht Verantwortung.
Alexander Dobrindt wiederum gibt den Mann fürs Grobe: Als hätte er eine politische Kettensäge an den Gürtel geschnallt, propagiert er das harte Grenzregime und verkauft’s als Prinzipienfestigkeit. Zurückweisungen, Aussetzungen, symbolische Härte als unmittelbare Fernsehbilder, während Jurist:innen landauf, landab mit hochgezogener Braue erklären, warum das so nicht geht oder jedenfalls so nicht gehen sollte. Auf die Frage nach einem AfD-Verbot schweigt er gern – als fürchte er, der rechte Rand könnte beleidigt die Bierbank verlassen. Die „Brandmauer“ wird so zur Komödie der Irrtümer: Man baut sie in Interviews und reißt sie im Kleingedruckten wieder ein.
Carsten Linnemann, der Generalsekretär im Dauerangriffsmodus, kündigt „Schnellverfahren“ gegen alles an, was nicht spurt: Klimaaktivist:innen? Ab durch die Turbo-Justiz. Sicherheitsstaatliche Schrauben? Gern noch ein paar Umdrehungen fester. Pensionsdebatten für Beamte? Natürlich, Hauptsache, es klingt wie Aufräumen. Und wenn Menschen gegen die AfD protestieren, ist das für ihn schnell mal überflüssige Folklore. Demokratieverständnis als Bedienungsanleitung: Rechte gibt’s, solange sie den Betriebsablauf nicht stören.
Julia Klöckner trägt inzwischen die Präsidentinnenbinde – ein Amt, das staatstragende Neutralität verlangt. Ihre Timeline hingegen wirkt, als habe man den Parlamentshammer gegen einen Ringlichtaufsatz getauscht. Der denkwürdige Satz, man könne für AfD-Politik auch CDU wählen, ist gelöscht, aber das Netz hat ein Gedächtnis wie Elefanten. Wenn sie im Plenum T-Shirts problematischer findet als Parolen, die den demokratischen Grundkonsens aushöhlen, ist das weniger Ordnungsliebe als Schieflage. Abseits der Politik sorgt ihre Beziehung zu Jörg Pilawa für Boulevardüberschriften – hübsch für die Klatschspalten, aber für das protokollarische Spitzenamt vor allem eines: eine weitere Ablenkung von der einzig relevanten Frage, ob die Person an der Spitze den Ton setzt, den die Demokratie verdient.
Saskia Ludwig aus Brandenburg steht exemplarisch für die Selbstentkernung der Union: Plagiatsvorwürfe, die kleben wie Kaugummi an der Schuhsohle, dazu Nähegesten Richtung AfD – Treffen, Fotos, der stete Tanz entlang der roten Linie. Wo andere den Abstand wahren, wird in Ungarn gerne mal die ideologische Wellness gebucht: Demokratie als Saisonware, Pressefreiheit als Nostalgieartikel. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit der AfD auf „na endlich verstehen uns alle falsch“ anstoßen.
Und dann die Causa Brosius-Gersdorf: eine Juristin, vorgeschlagen für eines der höchsten Ämter im Staat – und prompt Zielscheibe einer Kampagne, deren Mischung aus Unterstellung, heißer Luft und kalkulierter Empörung exakt so riecht, wie Kampagnen riechen, wenn es nie um Inhalte, sondern immer nur um Macht geht. Was bleibt, ist der Eindruck: Wenn die Union nicht durchsetzt, was sie will, werden kurzerhand die Institutionen zur Arena erklärt. Das ist kein Sport, das ist ein Spiel mit dem Fundament.
All das fügt sich zu einem Bild, das niemand mehr als Einzelfälle weglächeln sollte: eine Partei, die mit der AfD kokettiert, indem sie ihre Schlagworte übernimmt und ihre Tabus testweise bricht; eine Führung, die Kontrolle behauptet, aber Opportunismus praktiziert; Figuren, die aus Ämtern der Neutralität Bühnen der Selbstdarstellung machen; ein Umgang mit Justiz und Verfahren, der den Respekt vor der Gewaltenteilung eher performt als lebt. So entsteht kein Zufallshaufen – so entsteht ein System der Grenzverschiebung.
Deutschland ist stärker als seine schlechtesten Reflexe. Aber niemand sollte sich einreden, dass Demokratien von selbst stabil bleiben. Sie erodieren erst im Ton, dann im Takt, am Ende im Text des Gesetzes. Wer heute so tut, als sei die Nähe nach rechts nur ein taktischer Seitensprung, sollte in die Geschichtsbücher schauen, ins Kapitel der frühen Dreißiger, in denen viele glaubten, man könne den Tiger an der Leine spazieren führen. Aus Leinen werden Kleider, aus Kleidern Uniformen, und aus Uniformen marschierende Gewissheiten. Das ist keine Gleichsetzung – das ist eine Warnung. Eine, die man genau einmal zu spät ernst nehmen kann.
Merz kann die Defekte benennen oder vertuschen. Spahn kann rechnen oder rechtfertigen. Dobrindt kann schweigen oder spalten. Linnemann kann anziehen oder anheizen. Klöckner kann repräsentieren oder repräsentieren lassen. Ludwig kann abgrenzen oder anbändeln. Die CDU kann Volkspartei sein – oder Versuchslabor für eine konservative Rechten-Republik, die glaubt, man könne liberale Demokratie behalten und gleichzeitig an ihren tragenden Wänden bohren. Beides geht nicht.
Wer hat uns verraten? Die Christdemokraten.
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